Bremen (dpa/tmn) – Etwa 88 Millionen Lebensversicherungsverträge gibt es in Deutschland. Doch das einstige Lieblingsprodukt der Bundesbürger ist inzwischen in die Kritik geraten: wegen sinkender Zinsen und geringerer Überschussbeteiligungen.
Nun verkaufen Versicherungen sogar Verträge von Bestandskunden an andere Gesellschaften. Müssen sich Kunden Sorgen machen? «Nein», sagt Annabel Oelmann. «Viele Lebensversicherer sind aufgrund der Niedrigzinsphase unter Druck», erklärt die Chefin der Verbraucherzentrale Bremen. «Zuerst beschließt ein Lebensversicherer sein Neugeschäft. Bestehende Verträge müssen aber bis zum Vertragsablauf weitergeführt werden, das heißt bis jeder Kunde seine Kapitalleistung erhalten hat.»
Wie funktioniert der Verkauf von Lebensversicherungen an sogenannte Run-off-Gesellschaften?
Annabel Oelmann: Fürs Abwickeln hat ein Versicherer zwei Möglichkeiten: Entweder er behält die Verträge im eigenen Unternehmen oder er verkauft sie an eine Run-off-Firma. Auch diese untersteht der staatlichen Versicherungsaufsicht Bafin – wie alle Lebensversicherer. Bereits garantierte Überschussbeteiligungen von Verbrauchern bleiben auch beim neuen Unternehmen erhalten, nicht fest zugesagte Überschüsse nicht. Deshalb ist der Verkauf allein kein Grund zur Sorge.
Soll man seinen alten Lebensversicherungsvertrag lieber kündigen?
Oelmann: Auf keinen Fall. Gerade Altverträge sind oft ertragsstark und Verträge vor 2005 sind in der Auszahlung steuerfrei. Verbraucher sollten unbedingt im Einzelfall prüfen, wie ertragsstark der Vertrag ist. Die Verbraucherzentrale Bremen bietet hierzu ein schriftliches Gutachten an, das eine Entscheidungsgrundlage bietet. Verbraucher erhalten Klarheit darüber, was sie von ihrem Vertrag bis zum Vertragsablauf erwarten können und wie sie Verträge anpassen oder optimieren können.
Worauf sollten Versicherte achten?
Oelmann: Falls ein Verbraucher sich aus der Not heraus trotzdem von einem guten Altvertrag trennen muss, empfiehlt sich vor der Kündigung ein Blick auf den Zweitmarkt von Lebensversicherungen. Professionelle Policenankäufer bieten Kaufpreise an, die zwischen 1 und maximal 15 Prozent über dem Rückkaufswert des Versicherers liegen können.
Aber knapp 20 Prozent der bestehenden kapitalbildenden
Lebensversicherungen sollten nicht um jeden Preis fortgeführt werden. Auch ein hoher Garantiezins ist kein Garant für eine erfolgreiche Police. Nach Abzug der Kosten bleibt auch bei vier Prozent garantiertem Zins oft keine Rendite übrig.
Da jährlichen Wertmitteilungen weder einheitlich aufgebaut noch verständlich formuliert sind, können Verbraucher nicht einschätzen, wie werthaltig ihre Lebensversicherung ist. Es gibt Verträge, die auf den ersten Blick positiv erscheinen, es aber gar nicht sind, und umgekehrt. Verunsicherte Verbraucher sollten sich unbedingt unabhängigen Rat holen.
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(dpa)