Wiesbaden – Die Teuerung in Deutschland hat sich zu Jahresbeginn abgeschwächt. Im Januar dämpften gesunkene Energiekosten den Anstieg der Verbraucherpreise auf 1,4 Prozent. Im Dezember waren es nach neuer Berechnung noch 1,6 Prozent.
Diese Zahl hat sich geändert, weil die Statistiker Zusammensetzung und Gewichtung des Warenkorbes überprüft haben, in den die Preise von Dienstleistungen und Waren einfließen.
Was ist Inflation überhaupt?
Die Preise für Waren und Dienstleistungen können sich in einer Marktwirtschaft jederzeit ändern – einige steigen, andere fallen. Erhöhen sich Preise allgemein, spricht man von
«Inflation». Das Geld ist dann weniger wert, Verbraucher können für einen Euro weniger kaufen als zuvor. Jeden Monat berechnet das Statistische Bundesamt, wie sich Preise in Deutschland im Vergleich zum Monat davor und im Vergleich zum gleichem Monat des Vorjahres entwickelt haben.
Wie wird die Inflationsrate berechnet?
Monat für Monat schwärmen Preiserheber der Statistischen Landesämter und des Wiesbadener Bundesamtes aus. Sie notieren bundesweit in Geschäften, was Obst und Gemüse, Bücher und Zeitschriften, Schuhe und Möbel kosten. Wie hoch ist der Listenpreis für ein Auto, was kostet eine Pauschalreise, was der Sprit an der Tankstelle? Mehr als 300.000 Einzelpreise von Waren und Dienstleistungen werden repräsentativ nach einem stets gleichen Schema erfasst. Erhoben werden die Preise von rund 600 Güterarten, die den sogenannten Warenkorb bilden. Auf dieser Grundlage berechnen die Statistiker die Entwicklung der Teuerung.
Spielt der Online-Handel dabei auch eine Rolle?
Die Statistiker haben nicht nur klassische Ladengeschäfte, sondern auch das Internet im Blick. Etwa 10.000 Preise werden monatlich im Internet erhoben, in der Regel zu einem festgelegten Zeitpunkt. «Ändern Onlinehändler ihre Preise besonders häufig, passen wir unserer Preiserhebung an», erläutert Thomas Krämer vom Statistischen Bundesamt. Manche Ökonomen hatten kritisiert, die teils stark schwankenden Angebote im Netz würden bei der Berechnung der Teuerungsrate nicht ausreichend berücksichtigt.
Warum wird der Warenkorb regelmäßig unter die Lupe genommen?
Das Statistische Bundesamt überprüft in der Regel alle fünf Jahre die Gewichtung und Zusammensetzung des Warenkorbes. Denn Gewohnheiten der Verbraucher ändern sich, bestimmte Produkte gibt es nicht mehr, neue kommen auf den Markt. Veränderungen zeigen sich vor allem auf längere Sicht. «Im ersten Warenkorb der Bundesrepublik von 1950 hatten Nahrungsmittel einen Anteil von mehr als 50 Prozent. Heute sind die Ausgaben fürs Wohnen der größte Posten», berichtet Krämer.
Woher kommt das Gefühl, die amtliche Rate stimme nicht?
Die Teuerungsrate ist ein Durchschnittswert, der dem einzelnen Verbraucher und seinem individuellen Einkaufsverhalten nicht unbedingt gerecht wird. Hinzu kommt: «Es gibt Preise, die Menschen besonders stark wahrnehmen. Das sind vor allem Güter, die man regelmäßig kauft und häufig auch bar bezahlt, zum Beispiel Brot oder andere Lebensmittel. Hier werden Preisänderungen schnell wahrgenommen. Das gilt auch für Spritpreise», erläutert Krämer.
Weshalb ist die Beobachtung der Verbraucherpreise wichtig?
Klettern die Preise auf breiter Front über einen längeren Zeitraum stark, können sich die Menschen immer weniger für ihr Geld leisten und büßen einen Teil der Ersparnisse ein. Bei hoher
Inflation verliert das Geld rasant an Wert, die Verbraucher flüchten in Ersatzwährungen. So waren nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland Zigaretten eine beliebte Tauschwährung. Aber auch dauerhaft niedrige oder sinkende Preise können gefährlich sein. Sie können Unternehmen und Verbraucher dazu bringen, Investitionen aufzuschieben – und das kann die Konjunktur bremsen. Die Notenbanken beobachten daher genau, wie sich die Inflation entwickelt. Die Währungshüter steuern notfalls gegen, zum Beispiel mit Zinssenkungen oder -erhöhungen.
Warum trifft die Inflation nicht alle Verbraucher gleich hart?
Notwendige Ausgaben, zum Beispiel für Nahrung, Mieten und Energie, machen bei weniger finanzkräftigen Familien einer
Studie zufolge einen größeren Anteil ihres Budgets aus als bei Privathaushalten mit höheren Einkommen. Steigen die Preise für solche Güter und Dienstleistungen stärker als die von Luxusprodukten, werden Haushalte mit geringen Einkommen stärker belastet, so das Ergebnis einer Untersuchung von Wissenschaftlern der Goethe-Universität Frankfurt. Tendenziell gehe die Inflation zu Lasten der Ärmeren. Ausgewertet wurden Daten aus 25 EU-Staaten von 2001 bis 2015. In Deutschland verteuerten sich die Warenkörbe der unteren zehn Prozent in dem Untersuchungszeitraum um etwa 4,5 Prozent stärker als die Warenkörbe der oberen zehn Prozent.
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(dpa)