Breite Kreise der Bevölkerung rufen nach mehr Steuergerechtigkeit, nach einer besseren Verteilung der Lasten, die der Staat den Bürgern aufhalst, um seine Aufgaben wahrnehmen zu können. Jahrzehntelang hat eben dieser Staat über seine Verhältnisse gelebt, und die Regierung – jede Regierung – muss jetzt schauen, wie sie das auch durch den ungeheuren Schuldendienst bedingte Defizit einschränken und abbauen kann, ohne rücksichtslos mit dem Rotstift über die Staatsausgaben zu fahren.
Und da sich der aufgeblähte Staatsapparat gegen jedes Abspecken erfolgreich zur Wehr setzt, wird der Hebel bei den Einnahmen angesetzt: Die Besserverdienenden sollen zahlen und den Steuerhinterziehern muss das Handwerk gelegt werden, heißt es.
Manche Ansätze der Steuermaßnahmen der letzten Jahre, die die Handschrift des Finanzministers tragen, sind demnach aus unparteiischer Sicht durchaus nachvollziehbar. Aber Herr Schäuble hat vielleicht getrieben von den Linken in der Regierungskoalition, vielleicht aus einem persönlichen Übereifer heraus – einfach das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, und er lässt jetzt einfach nicht mit sich reden, sondern beharrt auf offensichtlichen Fehlern.
Den Überblick behalten
Bestimmte Abgabenverordnungen bringen nicht mehr Steuergerechtigkeit, sondern führen in manchen Fällen dazu, dass Hinterzieher, die geschickt vorgehen, keine Probleme damit haben, ihre Bilanzzahlen als angemessen und schlüssig zu gestalten, sprich zu beschönigen. Manch Kleinunternehmer, der nicht in der Lage ist, seine Bilanzdaten zu „schönen“, wird dagegen ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Wer bei der Steuererklärung merkt, dass er im letzten Jahr nur für den Fiskus gearbeitet hat, der neigt dazu, das Handtuch zu werfen.
Einzelne Neuerungen sind wie erwähnt durchaus nachvollziehbar. Aber sie müssen angekündigt und erst nach zwei oder drei Jahren in Kraft gesetzt werden, wie dies in Rechtsordnungen der Fall ist, die diesen Namen verdienen. Wer während des Spiels dessen Regeln teilweise rückwirkend ändert, schafft nur Unsicherheit und provoziert berechtigten Protest. Die Steuergesetze dieser Regierung sind unangemessen; sie drangsalieren bestimmte Gruppen, und sie werden sich volkswirtschaftlich negativ auswirken. Sie gaukeln mehr Gerechtigkeit vor, können aber diesem Anspruch in keiner Weise gerecht werden. Auch verstoßen sie gegen Grundrechte der Steuerpflichtigen.
Anspruch auf Durchschaubarkeit
Ganz Deutschland hat Anspruch auf eine moderne, einfache und klare Steuergesetzgebung, auf verlässliche Regeln, auf betriebswirtschaftliche Planbarkeit. Niemand kann ein Problem damit haben, wenn der Staat sich bemüht, dem Verfassungsauftrag nachzukommen, wonach alle im Verhältnis zu ihrer Leistungsfähigkeit zu den öffentlichen Ausgaben beitragen müssen. Steuergerechtigkeit zu schaffen, ist ein wichtiges Ziel, und ein eventueller Aufschrei derer, die sich dem Fiskus mit großem Erfolg entziehen, ist nicht beunruhigend. Beunruhigend ist es aber, wenn der Staat unverschämt und obendrein selbst ungerecht teilweise die Falschen abzockt und sie um die Früchte harter Arbeit bringt, es gleichzeitig aber unterlässt, sich auf seine zentralen Aufgaben zu besinnen und diese für die Bürger/innen kostengünstig zu erledigen.