Amazon plant Online-Handel mit Lebensmitteln

Düsseldorf – Bei vielen Lebensmittelhändlern in Deutschland dürften am Mittwoch (22. März) die Alarmglocken geklingelt haben. Denn laut «Handelsblatt» will sich der Internetriese Amazon mit der Deutsche Post-Tochter DHL verbünden, um künftig bundesweit auch frische Lebensmittel zu liefern.

Losgehen soll es zunächst im April in Berlin. Kommt es zu einem Marktstart von Amazon bei frischen Lebensmitteln, könnte das den Handel in Deutschland grundlegend verändern, glauben Experten.

Welche Rolle spielt der Online-Handel bisher bei Lebensmitteln?

Die Bedeutung ist sehr gering. Während im Modehandel oder bei Elektroartikeln längt ein Großteil aller Verkäufe im Internet abgewickelt wird, werden Lebensmittel noch immer vor allem im Laden eingekauft. Gerade einmal ein Prozent der Branchenumsätze werden bisher online erzielen.

Warum sollte sich etwas daran ändern?

Etwa aus Bequemlichkeit. Man braucht keine schweren Tüten mehr nach Hause schleppen, sondern bekommt die Einkäufe bequem an die Haustür geliefert. Größere Auswahl wäre ein anderer Grund. Wer Spezialitäten wie japanisches Wagyu-Rindfleisch oder bretonischen Steinbutt haben will, findet diese schon heute in aller Regel leichter im Internet als im Geschäft in der Nachbarschaft.

Was bremst bisher den Erfolg der Online-Händler?

Nicht zuletzt das niedrige Preisniveau im deutschen Lebensmittelhandel. In vielen Sparten – ob Textil oder Elektronik – konnten die Internet-Händler anfangs die Verbraucher vor allem mit einem Argument überzeugen: dem Preis. Wer im Internet einkaufte, konnte ziemlich sicher sein, weniger zu zahlen als im Laden. Das dürfte im Lebensmittelhandel kaum funktionieren. Denn dank der Marktmacht der großen Discounter gehören die Lebensmittelpreise in Deutschland zu den niedrigsten in Europa.

Was sind weitere Hürden für den Internet-Verkauf von Lebensmitteln?

Die hohen Lieferkosten. Die Gewinnspannen bei Konsumgütern sind gering. Ein grundsätzlich kostenloser Versand wie ihn etwa der Modehändler Zalando bei Bestellungen anbietet, ist deshalb bei Lebensmitteln nicht machbar. Stattdessen experimentieren Anbieter wie Rewe oder die Post-Tochter Allyouneedfresh mit Liefergebühren, die erst ab einer Mindestbestellmenge entfallen.

Warum ist gerade Amazon so gefürchtet?

Dafür gibt es einige gute Gründe: Nicht zuletzt die Finanzkraft des Internetriesen und die Durchsetzungskraft, die er immer wieder bewiesen hat. Außerdem spekulieren Branchenkenner, dem US-Konzern könne es durch sein Abo-Modell Amazon Prime etwa für Filme und die Bündelung von Lebensmittellieferungen mit anderen Bestellungen besser als der Konkurrenz gelingen, das Kostenproblem in den Griff zu bekommen. Ein Bündnis mit dem Logistik-Marktführer Deutsche Post/DHL dürfte diese Ängste noch verstärken.

Ist der deutsche Lebensmittelhandel auf eine Offensive vorbereitet?

Teils, teils. Rewe bietet bereits in rund 75 Städten die Möglichkeit, auch frische Lebensmittel im Internet zu ordern und dann nach Hause geliefert zu bekommen. Deutlich zurückhaltender agiert der Konkurrent Edeka. Er ist bislang bei frischen Produkten vor allem über die Online-Angebote selbstständiger Händler im Netz präsent. Lidl beschränkt sich bislang im Internet-Verkauf auf haltbare Lebensmittel. Und Aldi verzichtet ganz auf Online-Handel.

Sieht es also schlecht aus für den deutschen Handel?

Das ist schwer zu sagen. Die Unternehmensberatung
Oliver Wymanerwartet, dass es bei einem Start von Amazon Fresh in den nächsten Jahren zu Umsatzverschiebungen von sechs bis acht Milliarden Euro kommen könnte. Jeder siebte Supermarkt in Deutschland könne dadurch in die roten Zahlen rutschen. Doch es gibt auch Stimmen, die solche Warnungen für überspitzt halten. Stephan-Thomas Klose von der Drogeriemarktkette Rossmann ist überzeugt: «Bei der Dichte von Super- und Drogeriemärkten, Discountern und Großmärkten hat das Internet im deutschen Lebensmittelhandel keine Chance.» Sein Fazit aus mehreren Jahren Online-Handel ist ernüchternd: «Zugespitzt kann man sagen: Die Kunden kaufen tatsächlich fast nur Katzenstreu, Hundefutter und Klopapier im Netz, weil sie den Kram nicht durch die Fußgängerzonen schleppen wollen.» Damit lasse sich kein Geld verdienen.

Fotocredits: Oliver Berg
(dpa)

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