Hamburg – Verbraucherschützer sind besorgt: Renten- und Lebensversicherer versuchten anscheinend Kunden zu bewegen, gut verzinste Altverträge vorzeitig zu beenden, sagte Sandra Klug, Leiterin des für Versicherungen zuständigen Marktwächter-Teams der Verbraucherzentrale Hamburg.
Verbraucherschützer vermuten, dass Lebensversicherer wegen der Zinsflaute Kunden mit lukrativen Altverträgen loswerden wollen. «Wir befürchten, dass es ein Massenphänomen werden könnte», so Klug. Der Branchenverband GDV wies darauf hin, dass es bei vielen Lebensversicherungsprodukten eine sogenannte flexible Abrufphase gebe. Kunden könnten dabei zwischen einer sofortigen Rente oder einer Auszahlung des Kapitals wählen oder den Vertrag weiterlaufen lassen.
«Es ist also kein außergewöhnlicher Vorgang, wenn die Auszahlung der Lebensversicherung in der Abrufphase auch schon früher erfolgt – und vor allem handelt es sich nicht um eine vorzeitige Kündigung des Vertrags», sagte ein GDV-Sprecher. Trotz der niedrigen Zinsen werde die Branche ihre Verpflichtungen weiterhin erfüllen.
Altverträge bieten teilweise einen Garantiezins von vier Prozent, mit dem Kunden nach Vertriebs- und Abschlusskosten sicher rechnen können. Die hohen Zusagen der Vergangenheit machen den Unternehmen in der Zinsflaute zu schaffen. Für Neuverträge liegt der vom Bundesfinanzministerium festgesetzte Zins mittlerweile bei gerade noch 1,25 Prozent. Im kommenden Jahr soll er auf 0,9 Prozent sinken.
Aufmerksam wurden die Marktwächter auf das Thema durch Briefe der Neuen Leben Lebensversicherungs AG. Angeschrieben wurden nach Angaben des Unternehmens 30 000 Verbraucher, die eine klassische Kapitallebensversicherung, einen Riester-Vertrag oder ein fondsgebundenes Produkt haben. Bei fondsgebundenen Lebensversicherungen gibt es – anders als bei der klassischen Variante – in der Regel keine Garantieverzinsung.
«Nach Nachfragen von Kunden haben wir uns zu den Serviceanschreiben entschlossen. Vielen war nicht klar, dass ihr Vertrag steuerfrei ausgezahlt werden kann», sagte ein Sprecher der Neuen Leben Lebensversicherung.
Kritisch ist es aus Sicht der Marktwächter, wenn nicht darauf hingewiesen wird, dass bei einer Beendigung des Vertrags der Versicherungsschutz verloren geht. Rechtlich problematisch sei auch, wenn damit geworben werde, dass die Auszahlung jetzt steuerfrei sei. «Viele Verträge dürften deutlich vor 2005 abgeschlossen worden sein. Sie wären damit schon länger steuerfrei», sagte Klug.
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(dpa)