Hotellerie trifft Politik: Alle für Steuer-Harmonisierung in Europa und gegen kommunale Bettensteuern

Diskussionsrunde mit Staatsminister Florian Rentsch und IHA-Chef Fritz G. Dreesen im Courtyard by Marriott Wiesbaden-Nordenstadt

(NL/4306142782) Wiesbaden (hds / 6. August 2013).- Vehement verteidigte Fritz G. Dreesen den ermäßigten Mehrwertsteuer-Satz von sieben Prozent. Der Vorstand des Hotelverbandes Deutschland (IHA) war der Einladung von General Manager Harald Hock zur Diskussionrunde „Hotellerie trifft Politik“ ins Courtyard by Marriott Wiesbaden-Nordenstadt gefolgt. Die Frage, was aus den zwölf Prozent Differenz zum vollen Satz geworden ist, beantwortete Dreesen mit dem Hinweis, dass die Übernachtungs-Preise im Schnitt um fünf bis sechs Prozent gesunken seien. Zudem habe die Hotellerie – nach einer Untersuchung der Fachhochschule Westküste 2010/11 rund 936 Millionen sowie 2011/12 über 800 Millionen Euro investiert. Dadurch seien rund 17.000 neue Ausbildungs- und Arbeitsplätze geschaffen worden. Hoteliers hätten die Steuerersparnis in energetische Modernisierung, Renovierungen, Erweiterungen sowie Aus- und Fortbildung gesteckt, hob der IHA-Chef hervor. Deutschland sei „eingekreist“ von Ländern mit reduziertem Mehrwertsteuer-Satz. Das betreffe 24 von 28 EU-Staaten sowie die Schweiz. Insofern komme die Entscheidung der schwarz-gelben Koalition im Bund den Gästen, Mitarbeitern, Hoteliers zugute; durch höhere Einnahmen aber auch dem Staat, der „mehr erreicht als hineingesteckt“ habe.

Rentsch: Investments unbestreitbar

Auch Florian Rentsch (FDP), Hessischer Staatsminister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, ging in seinem Statement zur Eröffnung auf diese Thematik ein. Er betonte, dass seine Partei vor allem deshalb für die Steuersenkung eingetreten sei, um Wettbewerbsnachteile im europäischen Vergleich zu beseitigen. Obwohl gerade die Liberalen dafür sehr viel Kritik einstecken mussten, sei der volkswirtschaftliche Ertrag der erfolgten Reinvestments unbestreitbar. Benachteiligungen deutscher Hoteliers wurden beseitigt und Hessen habe mit 30 Millionen Übernachtungen 2012 eine neue Bestmarke erreicht, woran ausländische Gäste über zehn Prozent Anteil hatten, sagte Rentsch. Stolze 200.000 Vollzeitarbeitsplätze hingen allein in seinem Bundesland vom Tourismus ab. Auch ohne das „Sonderereignis documenta“, gingen die Gästezahlen weiter nach oben, unterstrich der Wirtschaftsminister. Sogar die Niederländer – als wichtigster Quellmarkt – übernachteten in Hotels, bemerkte er mit einem Lächeln und plädierte gegen ein europäisches Abkoppeln: „Wir sollten die Mehrwertsteuer belassen, wie sie ist!“

SPD und Grüne: 19 Prozent für alle!

Vollkommen anders sahen das die Landtagsabgeordneten Gernot Grumbach (SPD) und Frank Kaufmann (Bündnis 90/Die Grünen) bei der von Heike D. Schmitt (hd…s, Wiesbaden) moderierten Diskussion. „Wir sind der Meinung, der Fehler sollte beseitigt werden“, verlangte der Grünen-Politiker: „19 Prozent für alle!“ Grumbach kritisierte den ermäßigten Mehrwertsteuer-Satz als „Mitnahmeeffekte erzeugende Subvention“. Im Falle einer Regierungsübernahme werde Rot-Grün definitiv wieder den vollen Steuersatz für Hotelübernachtungen einführen. Der SPD-Politiker verwies auf eine Kommission der Bundesregierung, die einen ermäßigten Mehrwertsteuer-Satz ausschließlich für Grundnahrungsmittel empfohlen habe, was Kaufmann auf „geistige Nahrung“ ausgedehnt sehen möchte. IHA-Vorstand Dreesen erinnerte daran, dass vor der Bundestagswahl 2009 alle Parteien den ermäßigten Steuersatz für die Hotellerie im Programm hatten, sogar in Bayern die Grünen, und warnte vor mangelnder Planungssicherheit – beispielsweise bei dringend notwendigen Modernsierungen.

DEHOGA Hessen warnt vor Kollateralschäden

Hoteliers hätten auf Preiserhöhungen verzichtet sowie in neue Arbeitsplätze und Weiterbildung investiert, erläuterte Peter Bierwirth, Past Präsident der European Hotel Managers Association (EHMA) und Geschäftsführer der Bierwirth & Kluth Hotel Management GmbH, die auch das Courtyard by Marriott in Wiesbaden-Nordenstadt betreibt. Allein in diesem Hotel, fuhr der Betreiber fort, seien nach der Steuersenkung fast neun Millionen Euro investiert worden. Der Hotellerie gingen zudem die Mitarbeiter aus, diese müssten qualifiziert werden. Außerdem seien Energie, Wasser und Abwasser „unglaublich teuer“ geworden, meinte Bierwirth. Unternehmer sollten selbst entscheiden, wie sie investieren wollen, plädierte auch Gerald Kink, Präsident des Hessischen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) und Inhaber des Wiesbadener Hotels Oranien: „Wir sind die, die nicht weglaufen – wir sind in der Fläche verankert!“ Eine Rücknahme der Mehrwertsteuer-Ermäßigung würde gewaltigen Kollateralschaden erzeugen – etwa bei profitierenden lokalen Handwerkern und Lieferanten. Die Hotellerie benötige zehnmal so viele Mitarbeiter, um den gleichen Umsatz wie die Lebensmittel-Industrie zu erwirtschaften, unterstrich Kink.

CDU: „Tourismus verdient mehr Aufmerksamkeit!“

Der CDU-Landtagsabgeordnete Dirk Landau attestierte der Hotellandschaft eine positive Entwicklung und verbesserte Wettbewerbsfähigkeit. Angesichts hoher Anteile an Beschäftigung und Bruttoinlandsprodukt verdiene der Tourismus größere Aufmerksamkeit der Politik. Statt singulärer Maßnahmen, sollten die „Kuriositäten des Mehrwertsteuer-Systems“ beseitigt werden. Sein FDP-Kollege Jürgen Lenders verwies auf weiter sprudelnde Steuereinnahmen und rief dazu auf, genau hinzuschauen, was „Rot-Grün im Gepäck hat“: Neben dem Streichen des angeblichen „Mövenpick-Rabatts“ bei der Mehrwertsteuer, träfen Vermögensabgabe und Erbschaftssteuer-Erhöhungen als Substanzsteuern in erster Linie den Mittelstand. Lenders hob hervor, dass die Mehrwertsteuer-Ermäßigung „wunderbare Sachen“ ermöglicht habe. Ein Großteil sei als Tarifabschluss mit einer Vier vor dem Komma den Mitarbeitern zugutegekommen, der Gästekomfort wurde erhöht, Gebäude, Rohrleitungen und Heizungen nachhaltig saniert. Das funktioniere mit Spielräumen für Unternehmer weit besser als mit KfW-Krediten, so die Überzeugung des FDP-Politikers.

Trotz der Kontroversen stimmten alle Teilnehmer der Diskussionsrunde überein, dass es einer Steuer-Harmonisierung in Europa bedarf. Kommunale „Bettensteuern“ fanden – auch im Auditorium aus Hoteliers aus dem Rhein-Main-Gebiet – keine Befürworter. Kaufmann (Die Grünen/Bündnis 90) brandmarkte sie sogar als „Mumpitz, bei dem Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis stehen.“

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