Hamburg – Null-Prozent-Finanzierung, eine Rate geschenkt oder ein Kredit «wie für dich gemacht» – ein Darlehen erscheint in der Werbung einfach und unkompliziert.
«Banken und Verkäufer suggerieren den Kunden, dass ein Darlehen überhaupt kein Problem sei», sagt Dirk Ulbricht, Direktor des Instituts für Finanzdienstleistungen. «Dabei müsste so mancher Käufer bei der Kreditaufnahme von ihnen eigentlich gebremst werden.»
Kaum Beratungsangebote
Das Problem: Immer häufiger unterschreiben Verbraucher einen Kreditvertrag nicht mehr in der Kundenberatung ihrer Bank, sondern im Verkaufsraum eines Elektronikhändlers, Möbelhauses oder Autohändlers. «Viele Verkäufer, aber auch Banken, beraten nicht oder nicht genug beim Kreditabschluss», sagt Ulbricht.
Die Überschuldungsgefahr steige dadurch enorm, resümiert der Experte. Beim Autokauf etwa konzentrierten sich die Kunden auf ihr neues Auto, statt die Finanzierung durchzurechnen, erzählt Ulbricht. Gerne bieten Autohändler beispielsweise eine Ballonfinanzierung an.
Händler sagen oft nur die halbe Wahrheit
Sie verspricht günstigere Raten als ein üblicher Kredit. Am Ende der Laufzeit steht aber noch eine Restschuld aus, die der Kunde auf einen Schlag tilgen muss.
«Autohäuser locken auch gerne damit, dass sie den Kunden den Wagen später wieder abkaufen. Die ganzen Risiken in der Zwischenzeit – etwa ein Unfall oder der Wertverlust durch die Nutzung des Autos – sprechen sie aber nicht an», kritisiert Ulbricht.
Überblick über die Kosten oft nicht vorhanden
Ein weiteres Problem bei der Kreditvergabe ist, dass nicht selten unvorhergesehene Kosten durch zusätzliche Verträge entstehen. Andrea Heyer, Finanzexpertin der
Verbraucherzentrale Sachsen, kennt Fälle, bei denen gleichzeitig eine Unfall- oder Lebensversicherung, ein Bausparvertrag oder eine Kreditkarte mitverkauft wurden.
Typisch ist aber vor allem der gleichzeitige Abschluss einer teuren Restschuldversicherung, die den Kredit tilgen soll, wenn der Schuldner etwa durch Krankheit die Raten nicht mehr bezahlen kann.
Komplexes Vertragswerk
Das Problem: Die Prämie der Versicherung fällt gleich zu Beginn auf einen Schlag an und wird regelmäßig zusätzlich zur Darlehenssumme finanziert. Doch die Bank muss diese Kosten nicht in den Effektivzins einrechnen, wenn sie nachweisen kann, dass der Abschluss freiwillig war. Entsprechend sind die Vertragsformulare gestaltet. Für Verbraucher ist es umso schwieriger, die tatsächlichen Kosten, die auf sie zukommen, zu erkennen.
«Viele Kreditnehmer haben außerdem den Eindruck, dass sie diese Versicherung abschließen müssen, wenn sie ein Darlehen aufnehmen wollen», sagt Heyer. «Das stimmt aber nicht. Verbraucherkredite gibt es auch ohne Restschuldversicherung.»
Sobald Verbraucher einmal eine erste Finanzierung abgeschlossen haben, sinke die mentale Hürde, für ein weiteres oder höheres Darlehen zur Bank zu gehen, sagt Heyer. So manche Bank spricht ihre Kunden außerdem regelmäßig aktiv an und überzeugt sie, den Kredit umzuschulden und aufzustocken. Gleichzeitig verkauft sie bei solchen Kettenkrediten erneut eine teure Restschuldversicherung.
Auch kleine Schuldverhältnisse können zur Schuldenfalle werden
Gerade Darlehen oder Null-Prozent-Finanzierungen mit vermeintlich kleinen Schuldverhältnissen sind durch solche Praktiken oft ein Einstieg in die Schuldenspirale, bestätigt Ulbricht.
«Oft stellen die Kreditnehmer viel zu spät fest, dass sie zu viele Schulden aufgenommen haben», sagt Ulbricht. Damit das nicht passiert, empfiehlt er: «Wer ein Darlehen haben möchte, muss vorher selbst durchrechnen, welche Raten und welche Kreditsumme er sich leisten kann. Denn der Berater wird es nicht tun.»
Fotocredits: Franziska Gabbert,Martin Jehnichen,Falk Zielke
(dpa/tmn)