Frankfurt/Main – Seit gut einem Jahr sollen Beschäftigte mit der neuen Betriebsrente für den Ruhestand vorsorgen können. Gerade Mitarbeiter kleinerer Firmen, die bislang noch ohne Zusatzplus fürs Alter dastehen, sollen davon profitieren.
Zwar bieten mehrere Versicherer entsprechende Produkte an. Es gibt aber noch keinen Tarifvertrag zur Einführung des Modells in einem Betrieb oder einer Branche. Die Bundesregierung scheint allmählich unruhig zu werden.
Die betriebliche Altersvorsorge soll vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen und Geringverdiener attraktiver werden. Auch nicht tarifgebundene Firmen sollen sich beteiligen können. Laut dem jüngsten
Alterssicherungsbericht 2016 der Bundesregierung haben knapp 47 Prozent der Geringverdiener mit einem Bruttolohn von weniger als 1500 Euro pro Monat weder eine betriebliche Altersversorgung noch einen Riester-Vertrag.
Zusammenschluss im Rentenwerk
«Mit jeder Tarifrunde, die verpasst wird, fehlt Geld für die betriebliche Altersvorsorge», wirbt Normann Pankratz, Vorstandsmitglied der Debeka, für einen baldigen Abschluss. Die Debeka hat sich mit mehreren Versicherern im Rentenwerk zusammengeschlossen, um entsprechende Produkte anzubieten. Auch andere haben sich in Stellung gebracht, zum Beispiel die R+V Versicherung mit der Fondsgesellschaft Union Investment.
Beschäftigten, die mit dem neuen Modell vorsorgen, darf kein fester Betrag mehr zugesichert werden, er soll nur noch als Ziel genannt werden. Die Auszahlungen im Alter können daher schwanken. Um ein bestimmtes Versorgungsniveau möglichst zur erreichen, kann im Tarifvertrag ein zusätzlicher Sicherungsbeitrag vereinbart werden, den die Arbeitgeber zahlen.
Doch bislang zündet die Idee nicht richtig. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat Gewerkschaften und Arbeitgeber zu einem Gespräch am 20. Februar eingeladen. Dabei soll es auch um die neue Betriebsrente gehen.
Höheres Zusatzplus
«Wir sind startklar, jetzt müssen sich die Sozialpartner bewegen», fordert Pankratz. Der Verzicht auf Garantien sei kein Nachteil. Der Manager wirbt mit Berechnungen des Rentenwerks, wonach das Zusatzplus im Alter künftig deutlich höher ausfallen kann als bei dem klassischen Modell mit Garantiezins.
Der Grund: Garantien müssen durch vergleichsweise vorsichtige Anlagestrategien erwirtschaftet werden. Fällt die Garantie weg, können die Gelder der Versicherten stärker in als riskanter geltende Anlagen mit einer höheren Verzinsung gesteckt werden, zum Beispiel in Aktien. «Bislang ist jeder Einbruch an den Aktienmärkten auf mittlere Sicht wieder aufgefangen worden. Davon gehen wir auch in Zukunft aus», argumentiert Pankratz.
Verdi-Tarifexperte Norbert Reuter sieht in den aktuellen Lohnrunden allerdings «keine Perspektiven, dass sich etwas tut». Entscheidend sei, dass auch die Arbeitgeber einen finanziellen Beitrag leisteten. «Zu einem Sozialpartnermodell gehören immer zwei. Es kann nicht sein, dass diejenigen, die ohnehin schon vergleichsweise wenig verdienen, auch noch allein für ihre Betriebsrente aufkommen müssen». Für die Beschäftigten bedeute das letztlich, dass sie auf einen Teil der Gehaltserhöhung verzichten müssten.
Der Verzicht auf Garantien ist aus Reuters Sicht nicht unbedingt problematisch. «Solange das Geld vernünftig angelegt wird – und darauf würden wir als Sozialpartner schon achten -, kann für die Beschäftigten mehr rauskommen als bei dem klassischen Modell.»
Kein zeitlicher Druck
In verschiedenen Branchen gibt es bereits Versorgungswerke. Auch deswegen scheint kein Grund zur Eile zu bestehen. «Seit 2001 haben wir eigene Tarifverträge zur betrieblichen Altersvorsorge. Aktuell sehen wir keinen Anlass über Änderungen nachzudenken», sagt ein Sprecher der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG).
Die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) verweist auf eigene Sozialkassen: «Wir haben damit ein Modell, von dem insbesondere auch kleinere Handwerksbetriebe profitieren». Die IG BCE argumentiert mit dem eigenen Chemieversorgungswerk: «Wir haben aktuell keinen zeitlichen Druck, andere Themen stehen eher im Fokus.»
Chancen und Risiken
Die IG Metall diskutiert das Thema derzeit, um Chancen aber auch Risiken aufzeigen zu können. «Ziel ist es, bis Mitte des Jahres ein erstes Meinungsbild zu erhalten, das dann am Gewerkschaftstag der IG Metall im Oktober von den Delegierten sicherlich noch konkretisiert werden wird», heißt es bei der größten deutschen Einzelgewerkschaft.
Aus Sicht der Arbeitgeber ist die Notwendigkeit eines Tarifvertrages eine besonders hohe Hürde. «Nach wie vor gibt es keinen Tarifvertrag zur Umsetzung des Sozialpartnermodells. Deshalb können auch die Betriebe die neuen Möglichkeiten nicht umsetzen», so die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).
Zugleich kritisiert der BDA die aus ihrer Sicht hohe Komplexität der Regelungen: «Die Tatsache, dass die Sozialpartner an der Durchführung und Steuerung mitwirken müssen, erschwert die Umsetzung. Wie die Mitwirkungspflicht ist Praxis umgesetzt werden kann, ist derzeit völlig offen.»
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(dpa)