Berlin – Im Einkaufswagen landen Gurken und Bananen ohne Verpackung, auf dem Heimweg rastet man auf einer Bank aus Recyclingkunststoff und füllt seine Trinkflasche am Leitungswasser-Spender auf: Bundesumweltministerin Svenja Schulze will eine «Trendwende» im Umgang mit Plastikmüll einläuten.
Die SPD-Politikerin setzt dafür vor allem auf freiwillige Vereinbarungen mit dem Handel, Öko-Bewusstsein der Bürger und EU-weite Regelungen. Umweltschützer vermissten im Fünf-Punkte-Plan der Ministerin verbindliche Vorgaben und frische Ideen.
Vögel und Fische hätten Plastik im Magen, über die Nahrungskette gelange es in den menschlichen Körper, sagte Schulze. «Vieles davon ist noch nicht erforscht. Aber wir wissen bereits genug, um zu erkennen, dass wir umsteuern müssen.» Zwar stamme der Müll in den Weltmeeren eher nicht aus Deutschland, sondern vor allem aus zehn Flüssen in Asien und Afrika. «Aber wir produzieren in unserer Konsum- und Wegwerfgesellschaft einfach auch zu viel Plastik. Auch wenn wir es gar nicht wollen, exportieren wir diese Konsummuster in Schwellen- und Entwicklungsländer.» In Deutschland fielen 2016 rund 220,5 kg
Verpackungsabfall pro Kopf an – deutlich mehr als im EU-Durchschnitt.
Die Ministerin stellte in Berlin einen Fünf-Punkte-Plan mit zahlreichen Unterpunkten vor. Ein paar Beispiele:
– Leitungswasser: Schulze will, dass in allen Städten an öffentlichen Orten Leitungswasser zur Verfügung steht. «Trinkwasser aus dem Wasserhahn, das ist nahezu überall verfügbar und die Qualität wird flächendeckend von den Wasserwerken überwacht», sagte sie.
– Verpackungen im Handel: Anfang des Jahres will Schulze einen Dialog mit dem Handel starten, damit unnötige Verpackungen – etwa Plastik um Gurken oder Bananen – aus Läden verschwinden. Vorbild ist die Selbstverpflichtung, Plastiktüten nicht mehr umsonst anzubieten.
– Lebensdauer: Auf EU-Ebene will Schulze erreichen, dass Hersteller eine Lebensdauer ihres Produkts garantieren müssen, damit Kunden sich für Langlebigkeit entscheiden können. Zudem will sie, dass Produkte besser reparierbar und recycelbar werden, Ersatzteile vorrätig sein müssen und der Einsatz von Recycling-Kunststoff zur Pflicht wird.
– Plastik im Biomüll: Die Anforderungen an Kompost und zur Entsorgung verpackter Lebensmittel sollen strenger werden, damit weniger Plastikpartikel im Biomüll, in Biogas- und Kläranlagen landen.
– Image von Recycling-Kunststoff: Damit Hersteller mehr sogenannte Rezyklate verwenden, also recycelten Kunststoff, soll es auch dazu einen Dialog mit der Wirtschaft geben. Bund, Länder und Kommunen sollen mit ihren Anschaffungen Vorbild werden.
– Export von Know-how: Vor allem die Staaten, aus denen viel Müll in die Meere gelangt, will Schulze beim Aufbau von Sammel- und Recyclingsystemen unterstützen. Ab 2019 sind dafür über zehn Jahre insgesamt 50 Millionen Euro eingeplant.
Anderes aus Schulzes Konzept ist bereits beschlossen und bekannt. Etwa das neue Verpackungsgesetz, das ab Januar 2019 gilt. Es regelt, dass künftig «Mehrweg» und «Einweg» an Getränkeregalen im Supermarkt stehen muss. Zudem schreibt es steigende Recyclingquoten vor, verbessert die Erfassung von in den Verkehr gebrachten Verpackungen und legt fest, dass Hersteller für recyclingfreundliches Design künftig weniger Gebühren zahlen – wie viel weniger, ist allerdings dem Recycling-Markt überlassen. Bekannt ist auch, dass die EU gerade dabei ist, überflüssiges Einweg-Plastik wie Strohhalme und Wegwerf-Teller zu verbieten.
Umweltschützer reagierten zurückhaltend auf Schulzes Plan. Er schwimme «oft im Fahrwasser der ohnehin laufenden EU-Strategie mit», sagte etwa Heike Vesper vom WWF. «Insgesamt sind wenig neue Akzente der Umweltministerin zu sehen.» Rolf Buschmann vom BUND sagte, es fehle an Verbindlichkeit für den Fall, dass die «Dialoge» nicht fruchteten: «Der Plan B fehlt.» Auch er sieht «wenig Neues».
Auch dem Bundesverband der Entsorgungswirtschaft (BDE) gehen die Pläne nicht weit genug. Eine «Verpflichtung zu Mindestmengen von Rezyklaten in neuen Produkten» könnten einen «echten Markt» für das wiederverwertete Material schaffen, sagte BDE-Präsident Peter Kurth.
Von den Stadtwerken kam Lob zum Leitungswasser-Vorstoß: Es brauche «keinen Vergleich zu scheuen, nur weil kein Etikett draufklebt», sagte ein Sprecher der Bundesverbands Kommunaler Unternehmen.
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(dpa)