Armut trotz Arbeit

Armut trotz Arbeit

Immer mehr berufstätige Menschen in Deutschland laufen Gefahr, trotz ihres täglichen Broterwerbs in die Armut abzurutschen.

Zahl armutsgefährdeter Arbeitnehmer mehr als verdoppelt

Eine Studie des wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI), das der Hans-Böckler-Stiftung nahesteht, hat herausgefunden, das heute mehr als doppelt so viele Erwerbstätige als armutsgefährdet gelten als noch vor zehn Jahren. Armutsgefährdet ist, wer in einem Haushalt weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat – bei Alleinstehenden sind das 869 Euro im Monat. Im Jahr 2004 waren es zirka zwei Millionen Erwerbstätige zwischen 18 und 64 Jahren, die von Erwerbsarmut betroffen waren – zehn Jahre später waren es mehr als doppelt so viel. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich im Mittelfeld – allerdings ist in keinem anderen Land die Anzahl derer, die armutsgefährdet sind, in diesem Zeitraum so stark angestiegen. Umso erstaunlicher ist, dass dies in einem Zeitraum passiert, indem sich der Arbeitsmarkt positiv entwickelt hat.

Arbeitsmarktpolitik als Ursache

Als einen Grund für diesen Trend nennt die Studie die Entwicklung in der Arbeitsmarktpolitik: Seit Jahren sind Arbeitslose unter Druck gesetzt, jede angebotene Stelle anzunehmen, auch wenn der Bewerber überqualifiziert ist, der Job schlecht vergütet wird oder nur ein Halbtagsjob ist. Die daraus resultierenden Arbeitsverhältnisse führen zu einem erhöhten Risiko, trotz Arbeit in die Armut zu abzurutschen. Um dies abzustellen, empfehlen die Autoren der Studie verstärkt Maßnahmen zur Weiterbildung und verbesserten Qualifizierung von Arbeitnehmern. Ein weiterer positiver Impuls gegen Erwerbsarmut stellt der Mindestlohn dar.

Gegenläufige Entwicklung in anderen Ländern der EU

Laut der WSI-Studie haben andere Länder Europas beim Thema Erwerbsarmut eine wesentlich positivere Bilanz vorzuweisen: Zu den Staaten, die die Erwerbsarmut seit 2004 effektiver im Griff haben, gehören Finnland, Irland, die Niederlande, Polen, Portugal und die Slowakei. Schlusslicht bei der Erwerbsarmut ist laut den Berechnungen der Studie Rumänien mit 19 Prozent, Spitzenreiter ist Finnland – dort sind mittlerweile lediglich vier Prozent der Arbeitnehmer von der Erwerbsarmut bedroht.


Bild: Thinkstock, 470939676, iStock, AlexKalina