Ende der Mini-Inflation: Steigen Verbraucherpreise weiter?

Frankfurt/Main – Das Leben in Deutschland wird wieder teurer. Höhere Preise für Nahrungsmittel und Urlaubsreisen haben die Inflation in Deutschland im Juni etwas nach oben getrieben. Müssen sich Verbraucher in den kommenden Monaten nun auf deutlich steigende Lebenshaltungskosten einstellen?

Wie hat sich die Teuerungsrate in den letzten Monaten entwickelt?

Die Zeiten extrem niedriger Inflationsraten nahe der Nulllinie sind vorerst vorbei. Seit vergangenem Dezember liegt die Jahresteuerung beständig bei über einem Prozent. Im Februar kletterte die Rate sogar auf 2,2 Prozent, im April waren es 2,0 Prozent. Hauptgrund waren gestiegene Ölpreise. Im Juni trieben vor allem teurere Nahrungsmittel, höhere Nettokaltmieten und Preissprünge bei Pauschalreisen die Inflation an. Der Preisdruck bei Energie ließ dagegen nach. Insgesamt lag die Teuerung nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes um 1,6 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats.

Droht jetzt ein drastischer Anstieg der Lebenshaltungskosten?

Das ist sehr unwahrscheinlich. «Niedrigere Ölpreise und ein stärkerer Euro dürften die Inflation in den kommenden Monaten dämpfen», sagt ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski voraus. Auch KfW-Chefökonom Jörg Zeuner erwartet zunächst keine drastischen Preissprünge: «Dämpfende Effekte von den Energiepreisen widerstreiten mit steigenden Inflationsbeiträgen der Dienstleistungen.» Die Bundesbank rechnet für 2017 in Deutschland mit einer Teuerungsrate von 1,5 Prozent nach gerade einmal 0,4 Prozent im Vorjahr.

Welchen Wert strebt die Europäische Zentralbank (EZB) an?

Mittelfristig strebt die Notenbank im Euroraum eine jährliche Inflationsrate von knapp unter 2,0 Prozent an – weit genug entfernt von der Nullmarke. Denn dauerhaft niedrige Preise gelten als Risiko für die Konjunktur: Unternehmen und Verbraucher könnten Investitionen aufschieben, in der Hoffnung, dass es bald noch billiger wird. Weil die Währungshüter dieses Ziel seit Jahren verfehlen, versuchen sie, mit viel billigem Geld nachzuhelfen. Für das laufende Jahr rechnet die EZB im gemeinsamen Währungsraum mit einer Teuerungsrate von 1,5 Prozent, 2018 erwartet die Notenbank 1,3 Prozent, 2019 könnten es 1,6 Prozent sein.

Wäre es nicht an der Zeit, die Politik des billigen Geldes zu beenden?

Seitdem die Inflation wieder steigt, mehren sich vor allem in Deutschland die Stimmen, die einen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik der EZB fordern. Banken, Versicherungen und Sparer leiden unter dem Zinstief. «Es ist hohe Zeit für den Ausstieg», sagt DZ-Bank-Chef Wolfgang Kirsch. EZB-Präsident Mario Draghi mahnt allerdings zur Geduld: «Wir brauchen Ausdauer in unserer Geldpolitik.» Zwar sprach Europas oberster Währungshüter jüngst von einer «graduellen Anpassung» der EZB-Politik, zugleich jedoch betonte er: «Anpassungen müssen schrittweise gemacht werden – und nur, sofern die verbesserte (wirtschaftliche) Dynamik, die sie rechtfertigt, hinreichend sicher ist.» Eine abrupte Kehrtwende ist von der Zentralbank also nicht zu erwarten.

Wann ist mit einem Einstieg in den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik zu rechnen?

Nach bisherigen Plänen will die EZB bis mindestens Ende 2017 an ihrem milliardenschweren Kaufprogramm für Staats- und Unternehmensanleihen festhalten. Volkswirte erwarten in diesem September konkretere Hinweise der Währungshüter zum weiteren Kurs der Notenbank. Mehrheitlich rechnen Ökonomen damit, dass die EZB 2018 zunächst ihr Anleihenkaufprogramm allmählich auslaufen lassen wird und erst danach die Zinsen langsam wieder anhebt.

Noch sei «eine expansive Geldpolitik gerechtfertigt, um die wirtschaftliche Erholung und damit den Preisauftrieb im Euroraum zu stützen», sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann jüngst. Es gebe im EZB-Rat jedoch «unterschiedliche Sichtweisen darüber, wie stark wir geldpolitisch Gas geben müssen und welche Instrumente wir einsetzen sollen». Für die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik sei es jedenfalls entscheidend, «dass die expansive Geldpolitik beendet wird, wenn dies aus Sicht der Preisstabilität notwendig ist», betonte Weidmann.

Fotocredits: Friso Gentsch
(dpa)

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